Sonntag, 18. März 2012

Der Schwimmer - Zsuzsa Bánk


"Von uns gab es keine Spuren. Wir hinterließen nichts. (...) Später fing ich an, Steine, Federn oder Geldstücke in den Häusern zu verstecken, in denen wir eine Zeitlang gelebt hatten und die wir wieder verließen. Ich versteckte sie in den Schränken, über Türrahmen, hinter Fenstern und in Öfen. Ich vergaß nicht eines meiner Verstecke. Ich dachte an sie, Monate später. Jahre später." (S. 39)

Kata und Isti sind unterwegs. Mit ihrem Vater sind sie unterwegs durch ganz Ungarn, von einer zeitweiligen Unterkunft bei Verwandten zur nächsten. Immer nur provisorisch, immer nur für kurz, nie für immer. Nie kommen sie wirklich an. Die Mutter hat sich aufgemacht in den Westen, als es in Ungarn unruhig wurde, sie hat sich davongestohlen in ein besseres Leben, voller Hoffnung auf das Glück und die Erfüllung ihrer Träume.
Und Kata, Isti und ihr Vater bleiben allein zurück und führen das Leben von Vagabunden ohne Halt, ohne wirkliches Zuhause, immer auf der Durchreise. Kálmàn, der Vater, gleitet durch das Leben (oder gleitet das Leben an ihm vorbei?), er treibt lethargisch dahin und taucht stundenlang in sich selbst ab - und seine Kinder sind "bloß zwei Zusätze, die an ihm, an seinem Leben klebten und die er nicht mehr loswurde." (S. 229)

Zsusza Bánk erzählt eine Geschichte vom unmöglichen Glück und einer Welt, die ihre Mitte verloren hat, eine Geschichte von Träumen, Trauer und Heimatlosigkeit.
Unverwechselbar erzählt sie mit der Stimme Katas in ganz einfachen Worten die herzzerreißende Geschichte zweier Kinder auf einer sehnsüchtigen Suche nach Heimat, auf einer ziellosen Reise durch das Ungarn der 50er und 60er Jahre. Melancholisch, klar und einfach, mit starken Bildern und einer wirklich einnehmenden Atmosphäre wird dieser Roman in 17 Kapiteln erzählt, deren jedes eine der auftretenden Figuren zum Zentrum wie zum Titel hat. Trotz der reduzierten Sprache ist "Der Schwimmer" keineswegs ein leichter Roman - ganz im Gegenteil, man liest lange an diesen 285 Seiten. Und diese wenigen Seiten bleiben einem noch länger im Gedächtnis.

"Der Schwimmer" lesen, das ist, wie schleichend immer tiefer in warmes, sommerschweres Wasser zu gehen und langsam, ganz langsam hinuntergezogen werden an einem schwül-heißen Sommertag. Wehmütig-schön ist dieses Buch, ganz sanft und gleichzeitig erdrückend schwer. Mir gefällt das. Mir gefällt das sogar sehr. Ein kleines Stück ganz große Literatur.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen